Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Dissertationsprojekt: Sudetendeutscher Katholizismus unter dem NS-Regime 1938-1945

Das Dissertationsprojekt untersucht das deutsche katholische Milieu in den böhmischen Ländern in der Zeit 1938-1945 und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. Gefragt wird nach christlich motivierter Resistenz und möglichem Widerstand vor der Folie von Anpassung und Mittäterschaft. Anhand des „sudetendeutschen“ Falls soll für das NS-Regime das Verhältnis Religion und Staat untersucht und nach Wandel und Stabilität unter der Diktatur gefragt werden.

Das Projekt ist an der Schnittstelle mehrerer Forschungsfelder angesiedelt: Es soll einen Beitrag zur Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder wie auch zur Erforschung der Geschichte der „Sudetendeutschen“ im Nationalsozialismus leisten – zwei Felder, zu denen in jüngster Zeit erste wegweisende Studien vorgelegt wurden. Das Thema der Dissertation steht im Kontext der Erforschung des Widerstands Deutscher im Reichsgau „Sudetenland“ und im „Protektorat Böhmen und Mähren“ und knüpft hierbei an die jüngste tschechische und deutsche Forschung zum Thema an. Die Diskussion über „sudetendeutschen Widerstand“ soll in die Widerstandsforschung integriert werden, gleichzeitig deren Methoden und Begriffsdiskussionen auf das Thema angewandt werden. Hierbei wird die gesamte Bandbreite zwischen Mittäterschaft und Passivität auf der einen Seite bis hin zu Resistenz und möglichem Widerstand auf der anderen Seite in den Blick genommen. Die Thesen der vorliegenden Literatur zum „sudetendeutschen Widerstand“, insbesondere diejenige Leopold Grünwalds, gilt es für den Bereich des christlichen Widerstands zu überprüfen.

Gefragt wird nach der Konstellation beim Aufeinandertreffen christlicher Werte mit der nationalsozialistischen Ideologie und Praxis: Wie reagierte das katholisch geprägte deutsche Milieu hierauf? Welche Rolle spielte dabei als weitere Komponente, die sudetendeutsche Identität, die sich vor dem Hintergrund des sog. „Volkstumskampfes“ herausgebildet hatte? Wie wirkten die zwei Loyalitäten – zur Nation bzw. zum „Sudetendeutschtum“ einerseits und zur Kirche andererseits – zusammen, wenn es um eine Positionierung zum Nationalsozialismus ging? Gefragt wird nach möglichen spezifisch christlichen Motiven und Begründungen für Widerstand oder Anpassung im sudetendeutschen Fall. Hierbei werden unter dem Stichwort Resistenz Konfliktbereiche zwischen Kirche und Regime beleuchtet. Im Zusammenhang mit dem Widerstandsbegriff wird gefragt, ob es darüber hinaus aktive Versuche zur Bekämpfung des Nationalsozialismus als Ganzem gab.

Mögliche thematische Sonden sind die Reaktionen der Kirche auf den Angriffs- und Vernichtungskrieg, auf Judenverfolgung und Völkermord, auf die Behandlung des tschechischen Volkes sowie der Kriegsgefangenen. Gefragt wird auch nach kirchlichen Reaktionen auf die Ermordung von kranken und behinderten Menschen, welche auch das „Sudetengau“ betrafen. Dem vorliegenden Konzept nach, wird in erster Linie der deutsche Katholizismus untersucht – hierbei soll der Blick aber offen bleiben für konfessionsübergreifende und transnationale Zusammenhänge.