Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Dissertationsprojekt (abgeschlossen): „Mit Gott rechnen". Die politischen Konsequenzen der Katholischen Reform

Das Forschungsprojekt untersucht die politischen Konsequenzen religiösen Wandels anhand des Beispiels der Katholischen Reform in Polen-Litauen, Frankreich und Bayern. Dafür wird der Ansatz des religiös-politischen Kalküls entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich politisches Kalkül unter dem Einfluss der Katholischen Reform entwickelte, die neue Vorstellungen des Verhältnisses zwischen Diesseits und Jenseits hervorgebracht hatte. Welcher Staat und welche Politikführung wurden von den politischen Akteuren als erfolgversprechend angesehen, für welche Unternehmungen erwartete man eine göttliche Unterstützung? Zu welchen Kontroversen und Konflikten führte die Propagierung der neuen religiösen Vorstellungen?

Den Fokus der Arbeit bildet das ‚staatliche Marienpatronat’, das heißt der Glaube an die Herrschaft der Gottesmutter über den Staat. Dieses verbreitete sich im 17. Jahrhundert rasant und umfasste die Mehrheit der katholischen Staatsgebilde Europas. Auch im 19. und 20. Jahrhundert stellte es einen wichtigen Rahmen des Zusammenspiels zwischen Religion und Politik dar.

Das Projekt möchte erstens zu einem besseren Verständnis der Katholischen Reform beitragen. Gab es eine Einheit der Katholischen Reform? Inwieweit lassen sich Parallelen zu der protestantischen Reformation erkennen? Die Katholische Reform prägte den Katholizismus nachhaltig. Sie zeichnete den Weg zur Überwindung eschatologischer Ängste, indem sie die Universalität der göttlichen Liebe behauptete. Der Katholizismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war in vielerlei Hinsicht eine Fortführung dieser geistigen Bewegung, wie die Kulte der Immaculata oder des Herzen Jesu zeigen. Ein besseres Verständnis der religiösen Vorstellungen der Katholischen Reform zu gewinnen, ist somit notwendig, um den neuzeitlichen Katholizismus zu interpretieren.

Zweitens ermöglicht eine konstruktivistische Analyse der Politik, die Frage nach den Motiven zu umgehen, die die Forschung zu einer Aporie geführt hat. So wird die Dichotomie zwischen Politik und Religion aufgelöst. Dadurch – und dies steht im Zentrum der Arbeit – kann man sich Kernfragen der alten Politikgeschichte anders – und weniger anachronistisch – annähern: Wie ist der Misserfolg der polnischen Monarchie zu verstehen? Mit welchen Vorstellungen versuchten Fürsten, die Untertanen in ihre Politikführung mit einzubeziehen? Warum engagierten sich Bayern und Frankreich im Dreißigjährigen Krieg? Was waren die Ziele der Fronde und auf welchem Staatsverständnis gründeten sie? Solche Fragen ermöglichen es, den Zusammenhang zwischen Religion und Politik in der Vormoderne zu theoretisieren und somit die Frage nach dem Unterschied zwischen der Frühen Neuzeit und der Neuzeit zu stellen.