Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Dissertationsprojekt (abgeschlossen): Religion und Psychologie – Eine deutsche Affäre um 1900

Mein Dissertationsprojekt setzt an einem Schnittpunkt religiöser, wissenschaftlicher und philosophischer Entwicklungen in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts an: Es geht um die zu dieser Zeit  aufkommende Idee, die kurz zuvor als selbständige Wissenschaft etablierte Psychologie nun auch auf Religion anzuwenden.

Als vielversprechend erschien dies den Zeitgenossen, um so zu einem besseren Verständnis religiöser Phänomene und von Religion überhaupt zu gelangen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit gesehen, psychologisches Wissen für die religiöse Praxis, vor allem für die Seelsorge, verfügbar zu machen, oder umgekehrt religiöse Ressourcen für die neu entstehende Psychotherapie. Aus Sicht der christlichen Kirchen waren diese Bestrebungen nicht unproblematisch. Eine mit psychologischen Mitteln neu formulierte Religionskritik wurde ebenso gefürchtet wie die psychotherapeutische Konkurrenz zur etablierten geistlichen Seelsorge. Dennoch gab es vor allem unter protestantischen Theologen und Intellektuellen einflussreiche Fürsprecher einer kirchlichen Öffnung zur Psychologie, welche darin die Möglichkeit sahen, eine lebensnähere Religion zu ermöglichen, die so wieder Anschluss an moderne Gesellschaftsentwicklungen finden und den seit Aufklärungszeiten verlorenen Boden gutmachen sollte.

Außer in den USA wurde diese Debatte vor allem im deutschsprachigen Raum intensiv geführt. Sie ist aber bislang abseits fachtheologischer Forschungen kaum erkundet worden. Mein Projekt hakt hier ein und setzt sich zum Ziel, den Gegenstand aus der Perspektive einer an ideengeschichtlichem Wandel und den diskursiven Verflechtungen gesellschaftlicher Bereiche interessierten Geschichtswissenschaft in den Blick zu nehmen. Es soll dazu in einem ersten Schritt der um 1900 geführte Diskurs über Religion und Psychologie rekonstruiert und auf seine Sprecher, Argumentationsmuster und Bezugnahmen hin transparent gemacht werden. Als zweites soll dann nach den im Verlauf der Debatte für die weitere theologie- und religionsgeschichtliche Entwicklung erzeugten Implikationen gefragt werden.

Ziel ist es zu zeigen, wie und unter welchen Voraussetzungen hier ein in der Literatur als „empirische Wende der Theologie“ oder „Verwissenschaftlichung des Religiösen“ diskutierter Prozess mit angestoßen wurde, der auch für die religiöse Situation der Gegenwart noch als wesentlich angenommen wird.