Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Dissertationsprojekt: Eine Frage der double allégeance? Transformationen der Positionen jüdischer Intellektueller im Frankreich der 1960er Jahre

In meinem Dissertationsvorhaben diskutiere ich den Sechs-Tage-Krieg im Kontext einer transnational orientierten Kulturgeschichte als Schlüsselereignis für nationale und religiöse jüdische Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Für jene konstituiert er ein entscheidendes historisches Moment, das gerade den sich wandelnden Identitätskonzepten und Loyalitätsbezügen einen nicht zu unterschätzenden Impuls gibt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die jüdische Einwanderung nach Israel (Aliyah) stellt er einen Wendepunkt der transnationalen jüdischen Kultur- und Migrationsgeschichte dar, der bis heute nachwirkt. Im Bereich der französisch-jüdischen Geschichte konstituiert der Sechs-Tage-Krieg von 1967 mit der veränderten Wahrnehmung des jüdischen Staates Israel das Final einer bewegten Entwicklung, die das Jahrzehnt der 1960er in den Blick nimmt, dabei aber andauernde Auswirkungen der Staatsgründung Israels 1948 und der Sueskrise 1956 nicht ignoriert. Schließlich führen der Algerienkrieg (1954-1962) und die Unabhängigkeit Algeriens 1962 mit der Rückkehr der Pieds-Noirs auch zu einer Umwälzung der jüdischen Gemeinschaft im europäischen Mutterland.nach oben
Im Zentrum der Forschung steht das internationale intellektuelle Milieu zwischen Europa und Israel, angesiedelt in einem als „französisch-jüdisch“ begriffenen Raum. Dieser Raum entfaltet sich als „vektorieller Bewegungsraum“ (Ottmar Ette) durch verschiedene Migrationsbewegungen als transmediterraner Raum zwischen dem hexagonalen Frankreich mit einem Pariser, Straßburger oder Marseiller Mikrokosmos und dem kulturellen französischen Einflussgebiet, das sich nicht nur auf das Gebiet des Maghrebs, sondern bis hin nach Ägypten, Libanon, Griechenland oder die Türkei erstreckt. Israel konstituiert schließlich einen Zielort der Migrationsbewegungen in diesem französisch-jüdischen Raum.nach oben
An der Schnittstelle von Institutionen- und Intellektuellengeschichte bilden Einzelfallstudien zu jüdischen Intellektuellen als repräsentative Figuren der öffentlichen Meinungsbildung in ihrem sozialen wie (trans-)nationalen Kontext die Grundlage für eine Untersuchung der unterschiedlichen Loyalitäten im politischen und kulturellen „europäischen“ Spektrum der Zeit. Ziel ist eine transnationale Kollektivbiographie. Die Metropole Paris steht dabei für das laizistische Frankreich als bis 1967 engen Partner Israel mit einer bedeutenden jüdischen Gemeinschaft. Mit den sich dort entfaltenden Diskussionen um Israel und die jüdische Religionszugehörigkeit nimmt sie eine für Europa repräsentative Stellung ein, die in ihrer räumlichen und intellektuellen Ballung verschiedenster Positionen aus dem ehemaligen Kolonialimperium und Kulturraum Frankreich aber doch auch als herausragend betrachtet werden kann.