Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Bericht zum Methodenseminar V

Benediktinerinnen - Abtei Frauenwörth im Chiemsee, 7.-8. Dezember 2012

Hier finden Sie den Bericht zum Download (PDF-Datei, 129 KB).

Am 7. und 8. Dezember 2012 fand in den Räumlichkeiten der Benediktinerinnen-Abtei Frauenwörth im Chiemsee das fünfte Methodenseminar des Internationalen Graduiertenkollegs (IGK) „Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts“ statt. Im Laufe dieser zwei Tage stellten die neu aufgenommenen Kollegiatinnen und Kollegiaten drei kürzlich erschienene Dissertationen aus dem Themenkreis des IGK vor und diskutierten sie. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf das methodische Vorgehen der Arbeiten gelegt werden. Zudem präsentierten verschiedene Arbeitsgruppen Textausschnitte aus Max Webers Werk „Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie“.

Neben den Kollegiatinnen und Kollegiaten der zweiten Kohorte des IGK nahmen Prof.  Dr. Franz Xaver Bischof, PD Dr. Klaus Buchenau, Dr. Nicolai Hannig und PD Dr. Claudia Lepp als Dozentinnen sowie die Koordinatorin des IGK Laura Hölzlwimmer an dem zweitägigen Seminar teil.nach oben

Kurz nach der Anreise am Freitagnachmittag machte die Vorstellung der Dissertation „Die Religion der Öffentlichkeit. Medien, Religion und Kirche in der Bundesrepublik 1945-1980“ durch Katharina Högner und Raphael Rauch den Anfang. Die im Übergangsbereich von Medien- und Religionsgeschichte angesiedelte Untersuchung erörtert die Wechselwirkung zwischen kirchlichen Organisationen und dem in der Nachkriegszeit neu entstehenden Religionsjournalismus. Nach der Vorstellung der Arbeit, die als sehr gelungen eingeschätzt wurde, bestand die Gelegenheit zur Diskussion mit dem Verfasser Dr. Nicolai Hannig. Im anschließenden Gespräch, unter der Moderation von PD Dr.  Claudia Lepp, wurden vor allem das Verhältnis zwischen Wissenschafts- und Medienlogik, die konkrete Ausgestaltung und Durchführung des Forschungsprojekts und die Frage nach den Konsequenzen der Öffnung der Kirchen zur Gesellschaft in der Nachkriegszeit erörtert.

Am Abend folgte eine Präsentation des Films „Behold… All Things New“ durch Dr. Hannig, der am Beispiel dieser Dokumentation, die im Rahmen des Treffens des Ökumenischen Rats der Kirchen 1968 in der schwedischen Stadt Uppsala entstand, grundlegende Tendenzen der medialen Darstellung kirchlicher Ereignisse und der Globalisierung der Kirchen darstellte.nach oben

Am Samstag fand das Programm seine Fortsetzung in der Vorstellung verschiedener Textabschnitte aus Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie“ durch Arbeitsgruppen der KollegiatInnen. Die sehr fruchtbare Diskussion unter der Leitung von PD Dr. Klaus Buchenau beschäftigte sich sowohl mit dem Verhältnis zwischen Vergemeinschaftungsformen und Religiosität als auch mit den zentralen Begriffen der Textabschnitte. Durch die gemeinsame Erörterung der Texte konnten die DoktorandInnen wertvolle Anregungen für die begriffliche und methodische Ausrichtung ihrer jeweiligen Forschungsprojekte gewinnen.

Anschließend stellte die Arbeitsgruppe mit Vitalij Fastovskij, Cem Kara und David Schick die 2012 veröffentlichte Dissertation „Nationalismus, Türkisierung und das Ende der jüdischen Gemeinden in Thrakien 1918 – 1942“ von Berna Pekesen vor. Die Forschungsarbeit wählt als Ausgangspunkt Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung Thrakiens im Jahr 1934, um im Folgenden die Gemengelage in der Zeit der Gründung der Türkischen Republik zu erkunden. Die Autorin legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf den Zusammenhang zwischen der Schaffung von Nationen und der Ausübung von Gewalt. Dieses Themenspektrum erkundet sie anhand des konkreten Beispiels der Türkischen Republik und nimmt dabei immer wieder Bezug auf die Situation und die Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung. Sowohl in der Vorstellung des Buches als auch in der nachfolgenden Diskussion, die ebenfalls PD Dr.  Klaus Buchenau moderierte, wurde ein besonderes Augenmerk auf die Strukturierung der Arbeit gelegt und die Frage nach ihrer argumentativen Stringenz kritisch diskutiert. Auch die Entwicklung der Arbeit von einer an der Universität vorgelegten Dissertation zum letztendlich veröffentlichten Buch kam zur Sprache. nach oben

Den Abschluss der Dissertationspräsentationen bildeten Pascale Mannert und Carmen Reichert mit der Vorstellung des Buchs „Österreichisches Judentum zwischen Ost und West. Die Israelitische Allianz zu Wien 1873-1938“ von Björn Siegel. Die Dissertation zielt auf eine Transfergeschichte und vollzieht diese anhand der Darstellung des Selbstverständnisses der Israelitischen Allianz, des eigentlichen Wissenstransfers und der Rückwirkung der in Gang gesetzten Prozesse. Die detailreiche Untersuchung entwirft ein genaues Bild der Tätigkeiten der Wiener Vereinigung und rekonstruiert ihre Aktivitäten mit großer Präzision. In der von Prof.  Franz Xaver Bischof geleiteten Diskussion klang aber auch die Idee an, dass ein Kapitel, welches den sozial-historischen Rahmen der Untersuchung abstecken würde, die Arbeit auch dem nicht-spezialisierten Leser geöffnet hätte. Zudem wurde kritisch angemerkt, dass die Arbeit trotz des Anspruches, die Rückwirkungen des osteuropäischen Judentums mit einzubeziehen, den Ansichten und Tätigkeiten der osteuropäischen Juden nur geringe Aufmerksamkeit schenkt.

Die Abschlussbesprechung wurde geprägt von positiven Rückmeldungen ob der intensiven Diskussionen und der klaren Ausrichtung des Seminars auf konkrete Hilfestellungen in der ersten Phase des Promotionsprojekts. Zudem äußerten die StipendiatInnen den Wunsch nach einer vertiefenden Erörterung weiterer theoretischer Texte, die eventuell im Rahmen eines von den DoktorandInnen selbst organisierten Methodenseminars vollzogen werden soll.

David Schick