Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Tagungsbericht

Staat und Religion – Neue Anfragen an eine vermeintlich eingespielte Beziehung

Veranstalter: Fachschaft Jura des Cusanuswerks in Kooperation mit dem Internationalen Graduiertenkolleg „Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts“ der Ludwig-Maximilians-Universität München

Schwerte, 31. 10. – 3. 11. 2013

FRANZ-XAVER KAUFMANN (Universität Bielefeld) eröffnete die Tagung mit einem Vortrag zum Thema „Kirchen, Religion und sozialer Wandel in Deutschland“. In einem historischen Überblick schilderte er die Entwicklung der Kirchen in Deutschland. Einen Schwerpunkt bildeten die Ausführungen zum Katholizismus: Dessen Abgrenzungs- und Abschottungsbewegung gegenüber dem protestantisch beherrschten preußischen Staat während des Kulturkampfs habe sich erst mit der Gründung der Bundesrepublik und durch innerkirchliche Veränderungen in der Folge des II. Vaticanums in eine Kooperation mit dem neuen politischen System gewandelt. Die Epoche, in der Deutschland als bikonfessionelles christliches Land bezeichnet werden konnte, sei zwischen 1965 und 1980 zu Ende gegangen. Seither zeige sich neben schrumpfenden Volkskirchen eine Differenzierung des religiösen Feldes. Säkularisierung, Individualisierung und Pluralisierung stünden nunmehr im Zentrum der sozialwissenschaftlichen Analyse. Trotz sinkender Zahl aktiver Kirchenzugehöriger und „wachsender Gleichgültigkeit“ der Gesellschaft gegenüber Kirchen und Christentum sei die staatskirchenrechtliche Position der Kirchen nach wie vor stark und ihr institutioneller Einfluss erheblich. Hinsichtlich möglicher Zukunftsperspektiven führte Kaufmann aus, dass gerade die besondere staatskirchenrechtliche Tradition zu einer institutionellen Rigidität beider Kirchen führe, weil sie eine Neuorientierung, die der Minderheitensituation entspräche, erschwere. Die Allianz zwischen Religion und Politik müsse aufgegeben werden, um wieder ein unabhängiges kirchliches Selbstverständnis gewinnen zu können.nach oben

TINE STEIN (Universität Kiel) bot daran anschließend eine Einführung in das Denken Ernst-Wolfgang Böckenfördes mit Blick auf dessen These von der Religion als vorpolitischer Grundlage des liberalen Rechtsstaats. Sie verwahrte sich gegen eine konservative Vereinnahmung des Diktums, wonach der Staat die Kirchen als „Wurzelgrund und Garant des Verfassungsstaats“ privilegieren solle. Vielmehr sei Religion nur eine der Voraussetzungen, die der Staat unterstützen solle, damit eine lebendige politische Kultur entstehen könne. In der Folge warf Stein die Frage auf, ob der Staat Religion bei der Begründung des Rechts benötige. Anhand einer Analyse der Beratungen des Parlamentarischen Rates zeigte sie auf, dass die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG als Fundamentalnorm der Rechtsordnung zwar offen sei für Begründungen unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Provenienz, grundsätzlich jedoch als meta-positives und auch vorpolitisches Prinzip verstanden werden müsse. Abschließend ging sie der Frage nach, ob der Staat als Demokratie auf die Religion angewiesen sei. Im politischen Diskurs komme, so Stein, Parlamentariern die Aufgabe zu, als demokratische Repräsentationsinstanz zu fungieren und die Sichtweisen des Volkes miteinander in Austausch zu bringen, wozu auch das Verständnis eines religiösen Fundaments der Verfassung gehöre.

Nachdem die religionssoziologischen und staatsphilosophischen Grundlagen gelegt worden waren, schlossen sich Vorträge zu den zwei tragenden Säulen des Religionsverfassungsrechts an.nach oben

FABIAN WITTRECK (Universität Münster) zeigte in seinem Vortrag „Perspektiven der Religionsfreiheit in Deutschland“ Entwicklungstendenzen im Religionsrecht auf. Zunächst konstatierte er einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft: das bislang homogene und im Grundton kirchenfreundliche Meinungsbild werde nicht nur disparater, sondern in der Gesamtschau auch kirchenfremder, womöglich auch religionsskeptischer. Dies führe zu Neuinterpretationen des unveränderten Normbestandes und wissenschaftlich indiziertem Reformdruck. Nachdem der gesamtgesellschaftliche Entkirchlichungsprozess nunmehr in der Richterschaft nachvollzogen werde, könne ein Paradigmenwechsel auch in der Rechtsprechung festgestellt werden. Weder „Kirche“ noch „Religion“ seien weiterhin lediglich positiv konnotiert, sondern würden zunehmend als potentielle Auslöser von Konflikten wahrgenommen. Abschließend skizzierte Wittreck einige konkrete Auswirkungen auf die Deutung der Religionsfreiheit. Es gebe vermehrt Stimmen, die in das bislang als vorbehaltlos angesehene Grundrecht des Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG einen Gesetzesvorbehalt hineininterpretierten. Überdies kämen Autoren zu einer Auslegung, wonach die Religionsfreiheit ungleich gewährleistet sei. Eine dritte Konsequenz sah er in der Tatsache, dass das Religionsrecht verstärkt vom Individuum und weniger von den Institutionen her entfaltet werde. Wittreck stellte abschließend fest, dass die Rechtsordnung der Religion heute weniger (öffentlichen) Raum einräume bzw. weniger religiös motivierte Ausnahmen von allgemeinen Pflichten zulasse. Wenn man das Religionsrecht aber konsequent als Ordnung gleicher Freiheit interpretiere, tauge es durchaus zur Verarbeitung der religiösen Pluralisierung.

Die zweite Säule, das Prinzip der Neutralität des Staates, untersuchte CHRISTOPH MÖLLERS (Humboldt-Universität Berlin). Er stellte zu Beginn fest, dass die demokratische Ordnung mit Blick auf eine Vielzahl von Phänomenen kaum als neutral bezeichnet werden könne, nachdem diverse Regelungen quer zu religiösen Überzeugungen vieler betroffener Bürger lägen. Die liberale politische Theorie habe sich denn auch nicht mit einem subjektiven Begriff von Neutralität zufrieden gegeben, sondern einen anspruchsvollen Begriff von Begründungsneutralität entwickelt. Danach müssten Argumente, die im demokratischen Rechtsetzungsprozess ausgetauscht werden, so formuliert sein, dass sie nicht von vornherein einen Teil des demokratischen Legitimationssubjekts aus der Debatte ausschließen. Möllers kritisierte diese Konzeption mit Blick auf das Verhältnis zwischen Rationalisierung und politischer Willensbildung. Die Frage, was in den demokratischen Prozess gehöre und was nicht, werde mit der Abspaltung weltanschaulicher Beiträge nicht dem Prozess selbst überlassen, sondern einem theoretischen Filter, der seinerseits nicht rechtlich legitimiert sei. Möllers ging dann auf den Zusammenhang zwischen Neutralität und Religionsfreiheit ein. Ein objektiver Begriff der Neutralität objektiviere die Idee der gleichen (Religions-)Freiheit und mache aus ihr ein Prinzip, das jenseits aktueller Freiheitsansprüche der beteiligten Parteien eingeführt werde, ohne rechtfertigende Kraft entwickeln zu können. Es wirke vielmehr paternalistisch. Deshalb sei auch zweifelhaft, ob ein objektives Neutralitätsprinzip eine konfliktbefreiende Wirkung haben könne.nach oben

In einem dritten Teil der Tagung wurden einzelne Konfliktfelder des Religionsverfassungsrechts behandelt. HERMANN REICHOLD (Universität Tübingen) sprach zum Thema „Verfassungs- und europarechtliche Problematik der Kirchenautonomie im Arbeitsrecht“. Ausgehend von rechtstatsächlichen Veränderungen (Transformation kirchlicher Einrichtungen zu sozial-karitativen Großbetrieben) referierte er gerichtliche Leitentscheidungen der letzten Jahre. Neben Entscheidungen des EGMR (Schüth, Siebenhaar) stellte Reichold insbesondere die Entscheidung des BAG vom 20.11.2012 zum Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen heraus, wonach deren Mitarbeiter künftig unter bestimmten Umständen für bessere Arbeitsbedingungen streiken dürften. Im Hauptteil seines Referats widmete sich Reichold zwei zentralen Konfliktfeldern des kirchlichen Arbeitsrechts: den besonderen Loyalitätsobliegenheiten und dem sogenannten Dritten Weg. Reichold zeichnete die Entwicklung der Rechtsprechung nach und prognostizierte, dass nur symmetrische Abwägungslösungen zwischen Kirchenautonomie und entgegenstehenden Grundrechten von Dienstnehmern und Gewerkschaften in Zukunft rechtlich Bestand haben würden. Er machte überdies deutlich, dass die Nagelprobe der Tendenzbetriebe vor dem Hintergrund der zurückgehenden Kirchlichkeit die „Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit“ sei. Eine Kirche, die Vergebung und Barmherzigkeit predige, eigene Mitarbeiter aber fallen lasse, sei im Medienzeitalter chancenlos.

STEFAN MUCKEL (Universität Köln) diskutierte in seinem Referat „Islam und Religionsverfassungsrecht“ Herausforderungen an den religionsverfassungsrechtlichen Status quo in Bezug auf den Islam. Zunächst zeigte er anhand der in Bremen und Hamburg geschlossenen Staatsverträge auf, dass muslimische Verbände inzwischen als Vertragspartner im Religionsverfassungsrecht präsent seien. Anschließend widmete er sich Fragestellungen im Zusammenhang mit islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Das Problem habe bis vor kurzem darin bestanden, dass es muslimischen Vereinigungen nicht gelungen sei, Religionsgemeinschaften i. S. des Grundgesetzes zu bilden, die nach Art. 7 Abs. 3 GG für einen bekenntnisgebundenen Unterricht nötig seien. Nun sehe Hamburg jedoch drei muslimische Verbände als Religionsgemeinschaften an. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann muslimische Denominationen – wie im Falle der Ahmadiyya-Gemeinde in Hessen bereits geschehen – Körperschaften des öffentlichen Rechts würden. Vor diesem Hintergrund stellte Muckel das in einigen Bundesländern praktizierte Beirätemodell rechts- und integrationspolitisch in Frage und formulierte verfassungsrechtliche Einwände. Abschließend diskutierte er Probleme im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit. Muckel argumentierte, dass sich ein Gesetzesvorbehalt entgegen der Auffassung des BVerfG aus Art. 140 GG i.V. mit Art. 136 Abs. 1 WRV ergebe. Dieser führe nicht zu einer unangemessenen Verkürzung der Religionsfreiheit, sondern sei geeignet, die Bedeutung allgemeiner Gesetze als Instrumente zur Lösung und Steuerung der Probleme, die sich in der religiös pluralistischen Gesellschaft ergäben, rechtlich zu fundieren.nach oben

KYRILL-ALEXANDER SCHWARZ (Universität Würzburg) referierte zum Thema „Verfassungsrechtliche Fragen der aus religiösen Gründen gebotenen Beschneidung“ und nahm dabei vornehmlich die Entscheidung des LG Köln vom 7. 5. 2012 in den Blick. Zunächst ging er der Frage nach, ob die religiös motivierte Beschneidung im Judentum und im Islam als religiös motiviertes Verhalten anzusehen sei. Dies bejahte er mit dem Hinweis, dass im Judentum die Beschneidung sogar ein über die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft entscheidender Akt sei. Auch sei es dem Staat verwehrt, bestimmte religiöse Überzeugungen als solche inhaltlich in Frage zu stellen. Anschließend verdeutlichte er die spezifische verfassungsrechtliche Prägung des Falles und stellte die grundrechtliche Konfliktlage dar. Die Kernprobleme seien der Schutzgegenstand und die Reichweite des elterlichen Erziehungsrechts. Den Eltern müsse als Ausdruck grundrechtlicher Freiheit ein substantieller Gestaltungsspielraum verbleiben. Dies gehe nur bei Anerkennung eines Deutungsprimats der Eltern über das Kindeswohl, wobei dem Staat in Ausübung seines Wächteramtes allein die Befugnis zu einer Missbrauchs- und Unvertretbarkeitskontrolle zukomme. Im Ergebnis sei die Knabenbeschneidung somit verfassungsrechtlich zulässig. Schwarz plädierte dafür, den Sachverhalt als Bewährungsprobe für die Freiheitlichkeit der Verfassung zu deuten. Die Beschneidungsdebatte erweise sich am Ende als symptomatisch für den religiösen Diskurs in Deutschland, in dem religiöses Verhalten vermehrt als rückschrittlich und unaufgeklärt angesehen werde.

BARBARA ROX (Braunschweig) behandelte „Religionsdelikte in der säkularisierten Rechtsordnung“, wobei sie vor allem die Bekenntnisbeschimpfung aus § 166 StGB in den Blick nahm. Sie zeigte auf, dass § 166 StGB nicht als gesetzliche Konkretisierung einer Schutzpflicht aus der Glaubens- und Religionsfreiheit angesehen werden könne, nachdem sich aus Art. 4 GG kein Recht darauf ableiten lasse, in religiösen Angelegenheiten nicht in Frage gestellt zu werden. Die eigentliche Sorge bestehe darin, dass ein Klima entstehe, in dem Gläubige es nicht mehr wagten, ihren Glauben öffentlich zu leben. Dieser Vorfeldproblematik könne aber weder durch eine gewaltbezogene Interpretation des Begriffs des „öffentlichen Frieden(s)“ i. S. des § 166 StGB begegnet werden, noch dadurch, dass man dem Straftatbestand die Funktion eines „Toleranzwächters“ zum Erhalt eines pluralistischen öffentlichen Klimas zuspreche. Rox zeigte auf, dass das strafrechtliche Verbot der Bekenntnisbeschimpfung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstelle. Nachdem das BVerfG die Gefahr greifbarer Rechtsgutsverletzungen als staatlichen Eingriffsanlass voraussetze, ein solcher bei der Religionsbeschimpfung nicht gegeben sei und der Eingriff in die Meinungsfreiheit des Gotteslästerers schwer wiege, habe die Meinungsfreiheit die besseren Argumente auf ihrer Seite.nach oben

RUDOLF UERTZ (Universität Eichstätt-Ingolstadt) stellte das Verhältnis der katholischen Kirche zum Verfassungsstaat dar. Anhand der Diskussionen im Parlamentarischen Rat über einen Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes zeigte er, welchen Raum die Frage nach der Vereinbarkeit von religiösen Vorstellungen und modernem Staat in dieser Zeit einnahm. Mit Blick auf das 19. Jahrhundert erläuterte er die Beziehung von Katholizismus und Liberalismus, die durch radikale Ablehnung liberaler Ideen von Seiten Roms gekennzeichnet war. Der integralistische Katholizismus habe bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts eine geschlossene Weltanschauung gebildet, in der aus den Grundlagen der Religion eine Ablehnung jeglicher moderner Staatsformen, aber auch das Bestreiten der Menschenrechte notwendig folgte. Einen politik- und sozialethischen Paradigmenwechsel durch das kirchliche Lehramt konstatierte Uertz in den 1960er-Jahren. Mit der Enzyklika „Pacem in terris“ (1963), die die Menschenrechte erstmals positiv würdigte, sowie durch die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis Humanae“ des II. Vaticanums, in der das Recht auf religiöse Freiheit als ein Recht der menschlichen Person gewürdigt wurde, gelang eine Aussöhnung mit den Ideen einer demokratischen Ordnung. Eine neue politische Theologie, verbunden mit kirchlichen und gesellschaftlichen Aufbrüchen in den 1960er- und 1970er-Jahren, speiste sich nach Uertz maßgeblich aus Anregungen der Ethik und der Sozialwissenschaften, die durch die neue Offenheit der katholischen Kirche für Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Disziplinen möglich wurden.

HARTMUT ZAPP (Universität Freiburg) ging im Anschluss an das Urteil des BVerwG vom 26. 9. 2012 der Frage nach, ob der Austritt aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zwangsläufig auch den Austritt aus der Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche nach sich ziehen müsse. Zwar habe das BVerwG die streitgegenständliche Austrittserklärung als nicht wirksam auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts beschränkt erachtet, jedoch sei an anderer Stelle des Urteils zu lesen, dass sich die Erklärung auf die „Glaubensgemeinschaft“ der katholischen Kirche in der Form beziehe, „wie sie im Geltungsbereich des Kirchensteuergesetzes besteht“. Zapp führte aus, dass sich diese Ausführungen mit der Sichtweise von der „deutsch-bischöflich-katholischen Körperschaftskirche“ decke, wonach der Körperschaftsstatus das maßgebliche Unterscheidungskriterium der Körperschaftskirche darstelle, sowohl gegenüber der römisch-katholischen Ritus- als auch gegenüber der Weltkirche. Das BVerwG habe zwischen „staatskirchlichem“ und „innerbzw. religionsgemeinschaftlichem“ Bereich sorgfältig unterschieden. Nach der in der katholischen Kirche gültigen Lehre von der durch die Taufe bewirkten unverlierbaren Gliedschaft könne es weder theologisch noch kirchenrechtlich einen „Kirchenaustritt“ geben, so dass katholischen Gläubigen auch nach ihrem Austritt der Empfang der Sakramente nicht verweigert werden könne. Demgegenüber sei kirchenrechtlich ein isolierter Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne weiteres möglich.nach oben

Im Schlussvortrag setzte sich CHRISTIAN WALDHOFF (Humboldt-Universität Berlin) mit dem Thema „Recht als Religion“ auseinander. Zunächst widmete er sich dem Zusammenhang von Rechtswissenschaft und Theologie. Trotz unterschiedlichen Erkenntnisobjekts wiesen beide Disziplinen erstaunliche Ähnlichkeiten auf. So gingen beide von vorgegebenen Texten aus, hätten jeweils ein spezifisches Verfahren zum Textverständnis entwickelt und versuchten, die sich aus den Texten ergebenden Lehrsätze in Dogmen zu verdichten. Anschließend widmete sich Waldhoff dem berühmten Satz aus Carl Schmitts Politischer Theologie, wonach „alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre [. . .] säkularisierte theologische Begriffe“ seien. Dabei ging er auf das Verständnis dieses Satzes als genetische Beschreibung ein, indem er am Beispiel der Kategorie des Staatsoberhaupts die Begriffsgeschichte schilderte und so die konstatierte Parallele bestätigte. In einem dritten Schritt stellte er Heilserwartungen und Missionsaufträge an Verfassung und Menschenrechte dar. In jüngerer Zeit werde vermehrt vor einer Verfassungssakralisierung gewarnt, die das Grundgesetz in eine mit (quasi-)religiösen Absolutheitsansprüchen überfrachtete Sphäre rücke und seine rationale Auslegung und Anwendung eher erschwere. Er wies darauf hin, dass die missionarische Ausrichtung der französischen Grundrechte ihre juristische Substanz verdünne und letztlich wahrscheinlich ihre innerstaatliche Effektivität behindere, während eine an einen institutionellen Rahmen gebundene Auslegung wie in Deutschland die judizielle Aktivierung befördere.

Im Rahmenprogramm der Tagung stellte Georg Neureither die Website http://religion-weltanschauung-recht.net vor. Hinzuweisen ist schließlich auf den Tagungsband, der demnächst bei Mohr Siebeck erscheinen wird.nach oben

Katharina Ebner, Raphael Rauch und Daniel Wolff

Hier finden Sie den Tagungsbericht zum Download (PDF-Datei, 118 KB).