Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Dissertationsprojekt: „Schaut die Kinder an!“ Ideologische Kindererziehung durch Massenfeste (1948-1968)

Wie war die mit der sowjetischen Ideologie importierte Vorstellung des erzogenen „neuen Menschen“, welche Charaktereigenschaften sollte er haben, wie sollte er sich benehmen? Waren die Ansprüche auf die Erziehung des neuen Menschen in der UdSSR und der CSR gleich oder haben sie ihren nationalen Spezifika gespiegelt? Wer hat sich an der Erziehung beteiligt? Welche neuen Methoden wurden dafür verwendet und inwiefern waren diese durch das russische Vorbild beeinflusst? Wie wurde das Phänomen der Massenfeste in das Schulleben eingebunden?

Die Kinder nahmen im Rahmen der kommunistischen Ideologie eine wichtige Rolle ein. Durch die damalige Propaganda wurde die Kindheit nur in den positivsten Farben präsentiert. Es wurde eine Verbindung zwischen der Kindheit und der Generation der „neuen Menschen“, die in der Zukunft zur Erfüllung der kommunistischen Vision beitragen sollten - im sogenannten wahren kommunistischen Paradies - hergestellt. Es ist sichtbar, dass die Kinderfrage für das kommunistische Regime eine der grundlegenden Themen dargestellt hat. Leider wurde dieses Thema von Historikern lange Zeit vernachlässigt. Erst mit der Entwicklung einer Erforschung der totalitären Regime wird dieser Mangel behoben, sodass auch das Theme Kinder und der Jugendlichen in der Zeit des Sozialismus behandelt wird.

Eine der Möglichkeiten, wie man das Thema erfassen kann, ist durch die Optik des Totalitarismus zu schauen. Seit langem gibt es Streitigkeiten über die Möglichkeiten und die Grenzen dieses Begriffs. Trotzdem bietet Konzept der Hegemonie einer Seite und ihrer Bemühung, die ganze Gesellschaft zu beherrschen, Erklärungskraft. Dieses idealistische Modell der Beherrschung der Gesellschaft ermöglicht im erheblichen Maß, die Grenzen, in denen sich die kommunistischen Ideologen bewegt haben, festzusetzen und festzustellen, wie weit man bei der Kindererziehung gehen konnte. Mit dieser Problematik hängt auch das Konzept zusammen, welches Michel Foucault bei seinen Vorlesungen auch in der sogenannten Theorie der Biomacht angestoßen hat.

Über die erwähnten positiven Seiten des Totalitarismus-Konzeptes handelt es sich nur um eine theoretische Präsentation der importierten Doktrinen, deren Anwendung im realen Leben nicht anzuzweifeln ist. Das Beseitigen der Spannung zwischen Theorie und Praxis kann nur in einer passend ausgewählten Umgebung erfolgenn. Die Umgebung ist typisch für das gegebene Subjekt und ermöglicht eine leichte Form des Vergleichs – im Falle der Kinderfrage ist es die Umgebung der Schule. Nach den gesetzlichen Korrekturen des schulischen Systems kam es zu Änderungen der Standardmethoden im Unterricht, den die überall anwesende Ideologie durchdrungen hat. So konnte auch die Sammlung des Altpapiers seine ideologisch verhüllte Bedeutung tragen. Gerade das Interesse für diese einfachen und trotzdem ideologisch gefärbten Prozesse können dazu verhelfen, sich an die aus der Sowjetunion importierten Doktrinen zu nähern, die sich in den neueingeführten methodischen Zugängen an Erziehung durch ein Vorbild, durch die Arbeit, durch die Liebe zur Natur und zum Land, Erziehung durch Kultur sowie durch den Sportunterricht spiegelten. Als Höhepunkt dieser Bemühungen kann man die Massenfeste betrachten (in deren breitester Auffassung), die  ich als „ein Podium“ zur Präsentation der Ergebnisse über die erfolgreiche Erziehung der neuen sozialistischen Generation und zur öffentlichen Präsentation ihrer Loyalität verstehe.