Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Dissertationsprojekt (abgeschlossen): Revolution, Religion und das moderne Selbst in Selbstzeugnissen russischer Revolutionäre (1860-1917)

Liest man die Selbstzeugnisse russländischer Sozialisten aus dem späten Zarenreich, so fällt in vielen Fällen eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Säkularität und der quasi-religiösen Sprache, sowie den Praktiken der Revolution auf. Ohne sich pauschalisierenden Urteilen, wie der Behauptung, der russische Sozialismus sei eine Art Ersatzreligion gewesen, oder der These vom rein instrumentellen Charakter religiöser Sprachelemente in sozialistischen Texten, anzuschließen, konzentriert sich diese Dissertation auf die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Religion, revolutionärer Moral und der Selbst- und Fremdwahrnehmung russländischer Sozialisten. Mit Charles Taylor argumentiere ich, dass die Moralvorstellungen der Revolutionäre zum Teil aus einem jüdisch-christlichen Herkunftskontext hervorgegangen sind und diesem in vielerlei Hinsicht verhaftet geblieben waren. Angeregt von den güterethischen Überlegungen Taylors zum modernen Selbst, strebt diese Arbeit die Rekonstruktion des moralischen Raums der Revolution an, also jenes Rahmens, der durch Hypergüter strukturiert, anhand starker Wertungen sichtbar wird, und intersubjektive Prozesse der Identitätsfindung, wie Anerkennung durch den Anderen und die Orientierung auf das Gute, erst ermögliche. Dabei werden zwischen 200 und 300 Selbstzeugnisse aus dem späten Zarenreich (1860er Jahre bis 1917) ausgewertet und interpretiert.