Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts
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Band 3: Lisa Dittrich: Antiklerikalismus in Europa. Öffentlichkeit und Säkularisierung in Frankreich, Spanien und Deutschland (1848–1914)

Der vernunftwidrige Glaube, die allmächtige Kirche, der moralisch verdorbene Priester: Der Antiklerikalismus im 19. Jahrhundert verfolgte mit solchen Vorwürfen und den von ihm angestoßenen Debatten nichts weniger als eine grundlegende Neuordnung des Verhältnisses von Staat, Gesellschaft, Kirchen und Religion. Das gesamte Spektrum potentieller Kirchenkritiker im Blick analysiert diese Studie antiklerikale Bestrebungen erstmals vergleichend in Frankreich, Spanien und Deutschland, arbeitet nationale Spielarten heraus und stellt die Frage nach deren europäischer Dimension.

Lisa Dittrich untersucht die grenzüberschreitenden Beziehungen der Antiklerikalen in Presse, Publizistik und persönlichen Netzwerken: Kirchenkritiker schufen eine europäische Öffentlichkeit und bildeten eine gemeinsame Identität aus. Diese Vernetzungen stießen aber auch an nationale Grenzen. Die Analyse der Verflechtungen veranschaulicht das komplexe Verhältnis von Europäisierung und Nationalisierung im Zeitalter des Imperialismus. Säkularisierung erweist sich als zentrale Forderung und Produkt der antiklerikalen »Politik der Skandalisierung« von Kirchen und Religion. In der Rückführung auf ihren historischen Ursprung wird die Mannigfaltigkeit säkularer Vorstellung offensichtlich.

Säkularisierung erscheint als Suche nach neuen Modellen des Verhältnisses von Religion und Kirchen zu Politik, Wissenschaft und Moral, ohne dabei in einem einfachen Gegensatz aufzugehen. Dittrich zeigt vielmehr, dass die antiklerikalen Bestrebungen im Kontext der zunehmenden Pluralisierung des religiösen Feldes verortet werden müssen und legt damit eine neue Lesart der europäischen Kulturkämpfe im 19. Jahrhundert vor.

Die Arbeit wurde im Jahr 2012 mit dem Max Weber-Preis der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.

Rezensionen:

  • Jonathan Sperber in:
    Francia-Recensio 3 (2016):
    “Lisa Dittrich’s excellent book, takes anti-clericalism seriously, and provides a very enlightening account of its intellectual contours, political ramifications and broader place in Europe’s historical development.”
  • Todd Weir In:
    German History (2016):
    „[...] the author is to be commended for a transnational study of great breadth that has brought national historical literatures on the European culture wars into a needed dialogue.“
  • Katharina Neef in:
    H-Soz-Kult, 15.04.2016:
    „Dittrich [zeigt] die europaweite, teilweise lagerüberspannende breite Akzeptanz kirchen- bzw. religionskritischer Positionen. Dass diese Akzeptanz weit über den engen Rahmen organisierter Freigeistigkeit hinausging (und bis heute hinausgeht) und trotz ihrer latenten Diskriminierung und Repression erfolgreich sozietal diffundierte, ist ein Erkenntnisgewinn des diskursorientierten transnationalen Zugangs, den Dittrichs Arbeit auszeichnet.“
  • Olaf Blaschke in:
    Sehepunkte 15/3 (2015):
    „Eine Pointe der Arbeit ist, nicht nur den europäischen Antiklerikalismus, sondern auch das antiklerikale Europa zu beleuchten: Der im europäischen Rahmen transnational zirkulierende, stark verflochtene Antiklerikalismus war ein Konstrukteur des zivilen Europas […] Darüber hinaus befruchtet [die Arbeit] die Debatten über die transnationale Öffentlichkeit“
  • Urs Buhlmann in:
    Die Tagespost, 2.6.2015, 6:
    „Das Buch vermittelt neue Erkenntnisse zu den Verbreitungsmechanismen antiklerikaler Parolen, insbesondere zu deren medialer Vermittlung, zudem wird vielen hiesigen Lesern die spanische Situation weniger bekannt sein. Dittrich betritt auch Neuland, wenn sie darlegt, auf welche Weise das antiklerikale Projekt Europa zu einer „Ausgrenzungsgemeinschaft“ werden ließ.“
  • James Stone in:
    Das Historisch-Politische Buch 65/6 (2015), 646:
    „Beeindruckend ist […] Dittrichs behutsame und nuancierte Präzisierung von Kernbegriffen wie ‚Säkularisierung’ und ‚Antiklerikalismus’, die weitere Diskussionen des Themas befruchten wird. […] Zweifellos […] liefert die Verfasserin auf intellektuell hohem Niveau faszinierende neue Perspektiven auf eine zentrale Frage der modernen Geschichte.“
  • Sigfried Weichlein in:
    Neue Politische Literatur 60 (2015) 457f:
    „Das Thema birgt seine theoretischen, methodischen und auch empirischen Untiefen, die die Autorin mit großem Aufwand meistert. […] Besonders gelungen ist ihre Analyse des antiklerikalen Codes, der Antiklerikalismus wirksam machte, ohne ihn sichtbar und vor allem angreifbar zu machen.“
  • Michael Schrom In:
    Christ in der Gegenwart 41 (2014):
    „Die Autorin beleuchtet akribisch und detailliert das parteipolitische Spektrum, die Rolle der neu aufkommenden Massenpresse mit ihren Möglichkeiten, Emotionen zu schüren, Skandale aufzudecken und öffentliches Bewusstsein zu schaffen, sowie die Reaktion von Kirchenleitung und Gläubigen.  […] Lisa Dittrich belegt, dass Antiklerikalismus ein transnationales geistiges Phänomen in (West-)Europa ist und die Unterschiede in Frankreich, Spanien und Deutschland eher graduell ausfallen.“

Titelinformationen:

Religiöse Kulturen im Europa der Neuzeit, Band 003
1. Auflage 2014
615 Seiten, mit ca. 26 Abb., gebunden
ISBN 978-3-525-31023-6